David und Goliath. Die Anbindung des Großherzogtums Luxemburg an den deutschen Zollverein (1842-1918)

David und Goliath. Die Anbindung des Großherzogtums Luxemburg an den deutschen Zollverein (1842-1918)

Veranstalter
Archives nationales
Veranstaltungsort
Musée Dräi Eechelen, 5 Park Dräi Eechelen, L-1499 Luxembourg
Ort
Luxemburg
Land
Luxembourg
Vom - Bis
19.04.2018 - 20.04.2018
Deadline
31.12.2016
Von
Dr. Charles Barthel

Führen zolltarifliche und wirtschaftliche Integration zwangsläufig zu einer politischen Vereinigung? Im Vorfeld der Volksbefragung zum „Brexit“ stellen sich heute viele Briten – sie nehmen die Vorzüge der EU zwar gerne in Anspruch, ohne aber auf ihre angestammten Souveränitätsrechte verzichten zu wollen – eine ähnliche Frage, wie sie bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert von manchen Luxemburgern aufgeworfen worden war, als ihr Land sich zusehends zum Tummelplatz für Geschäftemacher von jenseits der Mosel entfaltete: Drohte die Anbindung an den deutschen Zollverein (seit 1842) die vollständige Germanisierung ihrer Heimat herbeizuführen? Spätestens seit jener Zeit der zweiten Industrierevolution, als die mächtigen Stahlkonzerne entstanden, war die kleinste Nation Westeuropas hin- und hergerissen zwischen den beiden nur schwer miteinander zu vereinbarenden Zwängen des ungehinderten Zugangs zu ausländischen Absatzgebieten als Ersatz für den fehlenden Binnenmarkt einerseits und der Notwendigkeit, eigene, nationale Interessen vor den Anmaßungen imperialistischer Nachbarn abzuschirmen, andererseits. Abwehr fremder Begierden und egoistischer Eigennutz paarten sich auf diese Weise zu Geburtshelfern jener diskret und geschickt eingefädelten Nischenpolitik, die bis heute unter dem Deckmantel einer viel beschworenen grenzüberschreitenden Freizügigkeit ihren Bestand hat. Gewiss, das europäische Gefüge hat sich mittlerweile stark verändert: Statt hegemonialer Machtdemonstration bestimmen fortan Rechtsnormen und die, zumindest theoretische, Anerkennung der Gleichberechtigung zwischen Handelspartnern das Zusammenleben innerhalb der modernen internationalen Gemeinschaften; trotzdem darf nicht übersehen werden, dass der Schlüssel zum Erfolg von Kleinstaaten nach wie vor in der Leichtigkeit, der Schnelligkeit und Wendigkeit liegt, mit der sie sich den jeweiligen Umständen anpassen, die ihnen im Grunde von außen aufgezwungen werden und auf die sie, üblicherweise, wenig bis gar keinen Einfluss ausüben. Allein schon unter diesem Gesichtspunkt verdient eine tiefgehende Analyse der weit zurückliegenden Anfänge der Luxemburger Mitgliedschaft in transnationalen Wirtschaftsorganisationen besondere Berücksichtigung und dies umso mehr als die heimische Forschung auf dem Gebiet des Zollvereins praktisch auf dem Stand stehenblieb, den sie erreicht hatte, als das Land den Schoß der Handelsunion mit dem Reich bereits wieder verlassen hatte.
Der hundertste Geburtstag der Aufkündigung des Zollvertrags im Dezember 1918, der auch mehr oder weniger mit dem 175. Wiegenfest der Aufnahme des Großherzogtums in den deutschen Wirtschaftsverbund im Februar 1842 übereinstimmt, sind für das Luxemburger Nationalarchiv Anlass zur Veranstaltung
- einer Ausstellung von Archivquellen und anderen Objekten, die ein dreiviertel Jahrhundert ökonomischer und zolltariflicher deutsch-luxemburgischer Kooperation beleuchten (im Nationalarchiv von Ende 2017 bis Mitte 2018);
- eines internationalen Historikerkolloquiums, das auch anderen Fachrichtungen der Wirtschafts-, Politik-, Sozial- oder Literaturwissenschaften usw. offen steht (im Musée Dräi Eechelen vom 19. April bis zum 20. April 2018).
Ohne den Anspruch zu erheben, das Thema erschöpfend behandeln zu wollen, möchten die Organisatoren des Kolloquiums verschiedene, sowohl von der populärwissenschaftlichen- als auch von der Fachliteratur verbreitete, Klischees unter die Lupe nehmen, wie z.B. die Behauptung, Luxemburgs wirtschaftlicher Aufstieg sei weitestgehend seiner Mitgliedschaft im Zollverein geschuldet. War sie tatsächlich Auslöser der Industrierevolution oder schuf sie lediglich günstige Rahmenbedingungen, die lokale Unternehmer dazu veranlasste, ihre Geschäfte weiter auszudehnen? Ist die Bilanz der Union wirklich derart segensreich gewesen, wie immer behauptet wird, sowohl was die generelle Entfaltung des Warenaustauschs als auch insbesondere die sprudelnden Geldeinnahmen des Luxemburger Staates aus dem Topf der Zollgebühren anbelangt? Immerhin stammt die überschwänglich positive Beurteilung der materiellen Vorzüge des wirtschaftlichen Zusammengehens mit den Deutschen aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als es darum ging, die Latte beim belgischen Nachfolger möglichst hoch anzulegen. Wie steht es umgekehrt mit der angeblich erdrückenden Vormundschaft seitens der preußischen Behörden? Verfügte ihr Luxemburger Vertragspartner – der übrigens nie müde wurde, seinen völligen Ausschluss aus sämtlichen offiziellen Zollunionsgremien öffentlich anzuprangern – nicht doch etwa über andere Mittel und Wege, seine Einwände und Forderungen an den Mann zu bringen? Inwiefern schlägt sich zudem eine drei viertel Jahrhundert dauernde Wirtschafts- und Handelsallianz auf das Alltagsleben der Menschen nieder? Wandelte sie ihre Gebräuche und Gewohnheiten; hatte sie Einfluss auf die Universitätsauswahl junger Leute; beeinflusste sie die Art und Weise, Gesetzestexte zu formulieren, oder gar die Denkweise eines Volkes, das sich seiner Eigenart bewusst war und auf einer unabhängigen Existenz beharrte?
All diese Fragen erklären auch, warum die Organisatoren der Tagung besonderen Wert auf den Blick von außen legen. Der Vergleich mit deutschen oder anderen europäischen Ländern und Territorien, die, wie beispielsweise Elsass-Lothringen oder kleine Staaten wie die Fürstentümer Liechtenstein und Monaco, ein mit Luxemburg vergleichbares Schicksal teilten, dürfte sich wohl als sehr hilfreich bei der richtigen Einschätzung mancher Grundprobleme erweisen.
Für jede weitere Auskunft bzw. zur Einsendung von Vortragsentwürfen (max. 2.000 Zeichen; Einsendeschluss: Ende 2016) wenden Sie sich bitte an Charles.Barthel@an.etat.lu.
Die Beiträge können in deutscher oder in französischer Sprache vorgetragen bzw. verfasst werden. Sie werden in einer wissenschaftlichen Publikation veröffentlicht. Reise- und Aufenthaltskosten für Konferenzteilnehmer, die einen Beitrag liefern, werden vom Veranstalter getragen.

Programm

Kontakt

Dr. Charles Barthel

Archives nationales
Plateau du St. Esprit, $
Postfach 6
L-2010 Luxemburg

charles.barthel@an.etat.lu

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